[Text anläßlich der Ausstellung "earthsky-skyearth"
11. September bis 9. Oktober 2005, De nederlandsche Cacaofabriek, Helmond, NL]


TRAUMHAFTES LICHT oder DAS LICHT ZUM TRÄUMEN

Zum Künstlerischen Arbeiten von Rona Rangsch

Das Anliegen von Rona Rangsch in dieser Uraufführung der "eartsky-skyearth"-Installation wie in ihrem umfassenden "earthseasky"-Projekt ist - in ihren eigenen Worten - unabhängig von ganzheitlichen Gedankengebäuden die enge Verbindung der drei Bereiche – Erde, Meer, und Firmament - über ihre Lichtphänomene visuell erfahrbar zu machen. Ihre Bilder in dieser Ausstellung widmen sich lediglich den Bereichen "Erde" und "Himmel". Was kann ich dazu mehr sagen als diese zwei Worte, Bezeichnungen dieser zwei Bereiche, ohne das rein ästhetische Vergnügen an den Bildern vorwegzunehmen?
Denn, ebenfalls Rona Rangsch zitierend, auf Grund der ihnen eigenen Rezeptionsebene fungieren sie – die Wörter- auch als Antagonisten zu den Bildern. Und sie meint damit eben diese Worte, Erde und Himmel. Hier trifft die Unzulänglichkeit des Bildes auf die des Wortes. Hier treffen wissenschafliche Ansichten auf allzu menschliche Erfahrung, die phänomenologische Ansicht. Und wie die Differenz zwischen Wort und Bild unüberbrückbar ist so ist die physikalische Betrachtung der Welt und des Alls nicht im Einklang mit unserem Erleben derselben.
Aber gerade diese Erkenntnis, dass die physikalische Ansicht nicht mit dem Phänomenologischen korrespondiert, wie Wort und Bild nicht im Stande sind, miteinander zu einem einheitlichen Wortbild oder Bildwort zu verschmelzen; diese Differenz und das Wissen darum scheint mir gerade das zu sein, wodurch wir uns unterscheiden von allem restlichen Leben: die Erinnerung und mit ihr Imagination und hieraus die Wissenschaft und die Kunst.
Und ich vermute, dass das Werk Rona Rangschs sich in einem Dazwischen befindet, in dem sie sich fragt wie es möglich ist, dass das Licht vom Meer, von Erde und Firmament einander visuell so ähnlich sieht, obwohl faktisch die Quellen des Lichtes dieser drei Bereiche ganz unterschiedlich sind. Das Licht auf der Erde entsteht durch durch Elektrizität und das Leuchten des Alls ist chemischer Herkunft. Aber in rein visueller Hinsicht ist die Herkunft des Lichtes nicht ohne weiteres einsichtlich. Gerade weil die Strukuren des Lichtes von verschiedenen Quellen einander visuell so ähnlich sind. Beide erscheinen amorph. Aber das urbane, vom Menschen erzeugte Licht unterliegt keinen Gesetzmäßigkeiten. Hingegen die kosmologischen Strukturen folgen den Gesetzen der Physik. Das heißt, der ästhetische Einklang entspricht nicht den Fakten, wie niemals Wort und Bild im Einklang sind.

Doch, dies ist nur die halbe Geschichte. Weil Wort und Bild, Wissenschaft und Ästhetik nicht nur einander gegensätzlich sind, sondern auch komplementär. Ihre jeweilige Unzulänglichkeit ist zugleich das, womit sie einander zu deuten wissen. Und, wie gesagt, der Grund für die Existenz unserer Imagination. Und da fängt das Staunen an. Weil der Grund unserer Imagination zugleich die blinden Flecke unserer Existenz verkörpert, weil wir unsereins erleben wie das fleischgewordene Paradox.
Was hat dies zu tun mit dem Werk von Rona Rangsch? Einiges, denke ich. Wir sprachen schon über zwei unvereinbare Anschauungen der Welt. Und über das Staunen über die Differenz zwischen dem ästhetischen Einklang und der Verschiedenheit der Phänomene in naturwissenschaftlicher Hinsicht. Aber das Staunen ist eine Gabe der Imagination, die ihren Ursprung gerade in der komplementären Wirkung beider Ansichten hat. Es ist diese komplementäre Qualität die bewirkt, so Nietzsche, dass wir wie Künstler mit fiktionalen Mitteln eine Wirklichkeit hervorbringen. Unsere Erkenntnisse sind grundlegende metaphorische Tätigkeiten. So stellt sich Erkenntnis in ästhetischer Perspektive dar. Paul Feyerabend weist darauf hin, dass die Wissenschaften im Grunde nicht anders verfahren als die Künste, denn beide operieren einem Stil gemäß, und Wahrheit (oder Faktizität) und Wirklichkeit (aus phänomenologischer Sicht) sind in der Wissenschaft ebenso stilrelativ wie in der Kunst. Und Rorty meint, dass alle Prüfsteine Artefakte sind.
Diese Annäherung von Wissenschaft und Kunst begann schon mit dem Anfang der Moderne. Kant zeigte, dass ästhetische Momente grundlegend für unser Wissen sind. Und das neue Medium mit seiner Hypervisualität macht klar, dass Wissenschaft mehr und mehr ästhetisch involviert ist.

Zurück zum Werk von Rona Rangsch. Sie wundert sich, wie das Licht verschiedener Herkunft aus der Ferne betrachtet die gleiche Strukturen zeigt. Und als Physikerin weiß sie um die verschiedene Herkunft, sie ist vertraut mit Photonen, aber das ist niemals das Bild vom Licht, das wir erleben. Und manchmal erscheint das Licht uns wie in einem Traum, so traumhaft ist manchmal das Licht wie es uns erscheint, da fragt man nicht nach Herkunft oder Quelle des Lichtes, da genießt man es einfach. Das Licht das allen Bildern zugrunde liegt, aller Schönheit, das einzige das nicht in der Zeit verhaftet ist, der Zeit in der die Wörter sich finden und wirken. Die Schönheit wie das Licht existieren nur im Raum. Das Licht präsentiert, was wir im Inneren als Gleichzeitigkeit erleben.
Und auch das erscheint als ein Aspekt im Werk von Rona Rangsch. Aus der Ferne betrachtet hat man die Erfahrung von Raum wie einst Pascal ihn beschrieben hat. Der weite Raum, vor dem man sich ängstigt und zugleich fasziniert ist, gestaltet vom Licht und vom Dunkel. Vom Licht als dem Sublimen, womit das Staunen anfängt, von dem wir bis zuletzt nicht im Stande sind uns loszureißen.

[Georges Meijer, Eindhoven 2005]

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